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Gedanken zum Sonntag
am 1. Oktober 2023   

 

 

 

 

Heidi Abe

Ev. Pfarrerin am Klinikum Böblingen


Erntedank!

An diesem Sonntag feiern wir in den Kirchen wieder das Erntedankfest. Wenn man  - wie viele von uns – in der Stadt wohnt, dann mag dieses Fest weit weg erscheinen. Man erinnert sich allenfalls noch an die Zeit als Kind, wo man gefüllte Erntedankkörbchen in die Kirche brachte. Das war eine eindrückliche und schöne Erfahrung, auch der geschmückte Altar in der Kirche mit all den Erntedankgaben.

Vielen von uns ist der Zusammenhang zwischen Ernte und einem gedeckten Tisch aus dem Blick geraten. Es wird immer mehr für selbstverständlich gehalten, dass wir Obst und Gemüse, Fleisch und Käse, und alles andere, was wir zum Leben brauchen, in den Läden einfach kaufen können. Freilich, eine gewisse Teuerung ist spürbar, Wasserknappheit, Hitze und schwierige Ernten, Lieferengpässe für manche Produkte, - da sind wir informiert.  Aber im Laden bekommt man ja noch alles, selbstverständlich. Wir leben mit der Vorstellung, dass wir für die Rundumversorgung ja arbeiten, und so haben wir es auch verdient, immer gute Produkte kaufen zu können.

Und nun Erntedank! Manchmal habe ich den Eindruck, dass in unserer Gesellschaft der Sinn für Dankbarkeit verloren geht. Freilich sind wir noch so erzogen worden, bitte und danke zu sagen. Aber die innere Haltung hat sich verändert dahin, dass wir so Vieles als unser gutes und selbstverständlich verdientes Recht ansehen. Die makellosen Früchte, das saftige Steak, das steht uns zu, das haben wir bezahlt, - und gut ist.

Warum dann Dankbarkeit? Weil wir damit unseren Blick weiten dahin, wo wir herkommen und uns daran erinnern, dass wir immer abhängige Menschen bleiben. Weil es uns angemessen ist, uns selbst als Teil eines großen Ganzen zu verstehen. Wir haben uns nicht selbst gemacht und können auch nur mitwirken, dass Leben erhalten bleibt und fortbesteht. Dankbarkeit soll dabei keine moralische Leistung sein, vielmehr erwächst Dankbarkeit dort, wo wir einen Moment innehalten und uns erlauben zu staunen über all das, was wir täglich empfangen und zur Verfügung haben.  

Der Apfel auf dem Tisch hat eine ganz eigene Geschichte seines Entstehens und hat unter Umständen einen langen Weg bis zu uns zurückgelegt. Wir können ihn als selbstverständlich nehmen. Aber wir können uns auch von seinem Aussehen und Geschmack, von diesem Wunder aus Gottes Natur berühren lassen, und ein Gefühl der Dankbarkeit mag in uns aufsteigen. Daneben liegen vielleicht ein paar Kartoffeln, die in ihrem Aussehen eher unscheinbar sind, aber es umso mehr in sich haben. Und wir können die Menschen bedenken, die die Kartoffeln angebaut und geerntet haben, - durchaus ein „mühsames Geschäft“ wie es im Schwäbischen heißt. Auch ihnen darf unsere Dankbarkeit gelten.  

Es gibt so viel zu entdecken, wofür wir dankbar sein können. All dies wahrzunehmen, dafür braucht es Zeit und offene Sinne, und es würde mich nicht wundern, wenn dann auch Freude und Dank für all die (Arbeits)ernte dieses Jahres in uns erwächst. Das kostet keine Mühe, sondern entsteht ganz natürlich.   

Und wir mögen ahnen und dankbar werden, dass es Gottes gütige Kraft ist, die hinter all dem steht und uns erhält und trägt.

   Heidi Abe